Herr Schmincke, Sie kommen als Oberarzt in die Klinik, die Ihr Vater vor 23 Jahren gegründet hat und immer noch als Chefarzt leitet. Warum?
Ich bin ja sozusagen mit der Klinik am Steigerwald und der Chinesischen Medizin aufgewachsen. Schon während des Medizinstudiums wusste ich immer von dieser anderen Dimension der Medizin. Mein Vater und ich haben sehr gerne und regelmäßig über medizinische Themen diskutiert und uns die Geschichten der Menschen, denen wir als Ärzte begegnet sind, erzählt. Dabei haben wir als Wissenschaftler immer sowohl die westliche als auch die chinesische Perspektive eingenommen. Genau genommen konnte ich mir nie eine Medizin ohne diese beiden Perspektiven vorstellen. Also habe ich meine gesamte Laufbahn daraufhin ausgelegt, sowohl in der Schulmedizin, als auch in der TCM Fuß zu fassen. Nun habe ich die hier übliche Ausbildung hinter mir und bin Facharzt für Allgemeinmedizin. Der richtige Zeitpunkt, um mich jetzt mit der Klinik am Steigerwald und meinen Wurzeln auseinanderzusetzen. Auf meinem Weg habe ich in China, Frankreich und Tübingen studiert und dann in einem kleinen Kreiskrankenhaus für innere Medizin im Schwabenland, in der Filderklinik, einer Klinik für anthroposophische Medizin und der TCM-Klinik Silima, unserer Schwesterklinik in Oberbayern bei Dr. Fritz Friedl mein klinisches Wissen vertieft. Anschließend habe ich 2 Jahre als Allgemeinarzt in der Praxis bei Dr. Ulbricht in Zell am Aichelberg gearbeitet. So habe ich einen breitgefächerten Einblick in die medizinische Landschaft hierzulande bekommen, was mir wichtig war. Denn wer sich mit alternativen Methoden beschäftigt, sollte sich eher besser als schlechter in der Schulmedizin auskennen. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit meinem Vater und dem gesamten Ärzteteam.
Was werden Ihre Schwerpunkte sein?
Ich habe zunächst drei Schwerpunkte geplant, soweit man die im Vorfeld schon benennen kann:
- Therapie. Hier interessiert mich vor allem die Strategien für Langzeitverläufe bei chronisch kranken Patienten weiter zu entwickeln und zu optimieren. Das ist die große Fähigkeit der chinesischen Arzneitherapie generell.
- Interne Fortbildung mit den ärztlichen Kolleginnen und Kollegen. Dazu gehören Fortbildungen im Bereich der Chinesischen Medizin genauso, wie im Bereich der Schulmedizin.
- Forschungsprojekte im Haus. Dabei geht es einerseits darum Strukturen zu schaffen, die vielfältigen Erfahrungen aus dem klinischen Alltag in der Klinik am Steigerwald zu dokumentieren und zu veröffentlichen. Andererseits geht es darum, die TCM- Therapie bestimmter Krankheitsbilder fokussiert in Studien zu erforschen.
Was bringen Sie an zusätzlichem Wissen mit?
Ich würde gerne das Therapiespektrum um den Bereich Neuraltherapie und Chiropraktik erweitern, sofern es der Anwendung von chinesischen Arzneimitteln nicht im Wege steht. Diese Methoden haben ihren Vorteil in der schnellen und effektiven Schmerzlinderung. Ein Nachteil im Vergleich zur TCM besteht in der geringeren Förderung der Selbstheilung und damit geringeren Nachhaltigkeit. Wie bei vielen integrativen Ansätzen bleibt es eine Abwägung von Fall zu Fall, für welche Methode man sich entscheidet. Medizin ist bestimmt von einem ausgewogenen Verhältnis von Systematik und Pragmatik.
Was wünschen Sie sich für Ihre Arbeit in der Klinik?
Allem voran wünsche ich mir eine gute Teamarbeit. Darauf freue ich mich am meisten. Außerdem ist es mir ein Anliegen, das schulmedizinische Portfolio der Klinik etwas zu erweitern, z.B. durch ein modernes Ultraschallgerät. In dieses Themengebiet gehört auch hinein, dass ich mir einen regen Austausch mit den Krankenhäusern der Umgebung wünsche. Die Arbeit mit TCM und Schulmedizin geht Hand in Hand, im Sinne der Patienten. Ich wünsche mir die Leitmedizin des Hauses, die Chinesische Medizin auf Basis der Ideen der DECA* – Ärztegruppe, im Dialog mit Ärztinnen und Ärzten, Pflegeteam und Therapeuten wie bisher weiter zu entwickeln. Dabei möchte ich den Vergleich mit anderen TCM-Ausrichtungen und neueren Entwicklungen der Schulmedizin nicht scheuen. Sondern die Erfahrung und Expertise der Kollegen und Kolleginnen im Team nutzen, die DECA-Methode weiter auszubauen. Das ist wichtig und das geht nur im Gespräch, in Arbeitskreisen und in Weiterbildungen.
Sie kommen in ein gewachsenes Team mit Dr. Christian Schmincke als Chefarzt…
Ja, das wird gut. Da ist viel Erfahrung von allen Seiten. Und ein etwas neuer Blick auch von meiner Seite von außen. Ich freue mich darauf.
Danke für das Gespräch und herzlich willkommen im Team.
*DECA: Gesellschaft für die Dokumentation von Erfahrungsmaterial der chinesischen Arzneitherapie.